Hermann Brammer,
geboren am 3. Oktober 1885; am 1. August 1915 am Schratzmännle in den südlichen Vogesen gefallen. (Eine Eintragung in die Verlustliste findet sich hier.)
Hier habe ich zusammengetragen, was wir über Hermann wissen:
Hermann, ältester Sohn von Heinrich und Wilhelmine Brammer war Landwirt in Etzen.
Karl hatte einen Hof in Groß Süstedt bei Gerdau/Krs. Uelzen gekauft. Als Karl am 2. August 1914 einberufen wurde, hat Hermann ihn auf dem Hof in Gr. Süstedt vertreten, wie aus einem Brief ihres Cousins Hermann Rüther aus Amelinghausen an Karl hervorgeht. Anfang 1915 musste Hermann ebenfalls ins Heer einrücken.
Hermann in Zivil – in der Pose eines wohlhabenden Bauern mit Zigarre und Hund. Es ist das einzige Bild außer den Familienbildern.
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Hermanns Bruder Karl hatte sich 1914 einen Hof in Groß Süstedt/Krs. Uelzen gekauft und war mit seiner Frau Frieda dorthin gezogen. Sein Sohn Karl wurde hier geboren.
Karl wurde schon 1914 in Galizien/Russisch Polen verwundet und kam ins Lazarett nach Eger ins österreichisch-ungarische Böhmen (heute Cheb in Tschechien). Sein Vetter/Cousin Hermann Rüther, Tischlermeister in Amelinghausen, schreibt ihm am 9. November 1914 einen Brief, in dem er Karl aus Etzen und Gr. Süstedt berichtet und aufführt, wer aus Etzen und den Nachbardörfern verwundet oder gefallen ist.
Wir erfahren auch, wie Hermann versucht, beide Höfe, den eigenen in Etzen und den seines Bruders in Groß Süstedt im Griff zu behalten – nicht einfach, immerhin sind es nach Gr. Süstedt ungefähr 30km – ein Auto war Luxus, und die ersten Fahrräder waren bereits für die Front beschlagnahmt worden. (zur Erklärung: Hermann Peters aus Evendorf, der Bruder von Arnold Peters aus Rolfsen und Adolf Wölper aus Raven, hat mir das erzählt – er ist 1915 in Raven konfirmiert worden. Die Kinder mussten die ganze Strecke von Evendorf zu Fuß gehen, gleichgültig ob Regen oder Schnee, zwei Mal die Woche zum Konfirmandenunterricht und an Sonn- und Feiertagen zum Gottesdienst. Denn Fahrräder gab es nicht mehr – sie waren für die Front requiriert worden – kriegswichtig. Ob Hermann ein Fahrrad hatte, ist unwahrscheinlich. Er wird eher mit Pferd und Wagen gefahren sein.)
Der Brief von Hermann Rüther folgt nun unten, ich habe ihn aus der damals üblichen Sütterlin-Schrift übertragen. Dabei habe ich den Text unverändert übernommen, wie es sich gehört; übernommene Fehler sind gekennzeichnet durch ein eingeklammertes „sic“ – das bedeutet, dass es genau so im Original steht. Ein Scan des Originals ist hier – bitte hier oder in den Briefkopf gleich hier unten klicken.
Herm. Rüther
Tischlermeister Amelinghausen i.L. (im Lüneburgischen), den 9. Novembr. 1914
Lieber Karl!
Gestern erhielt ich deine Karte, und ich sage dir meinen besten (!) dafür.
Lieber Karl ich muß dir zuerst gestehen, das (sic) ich nach Aussage deiner Eltern vor 8 Tagen sehr besorgt um dich war, aber ich habe mich wirklich gefreut wie ich hörte, das du auf einmal in deutsch Böhmen warst, lieber Karl, wenn man einen wirklichen guten Freund hat, von dem man viel hält, so ist man in Gedanken doch häufig bei den (sic) in der Ferne, und so ging es mir auch. Wie ich neulich von deinen Eltern hörte, das du für längere Zeit nicht geschrieben hättest, und bei deinen letzten Schreiben geäußert hattest, das deine Verwundung wohl schwerer wäre als du gedacht hattest, sandte ich sofort ein (???) an deine Adresse nach Krakau es war am 1. November, aber ich wartete vergebens auf Antwort bis den 3. d. M. da schrieb ich an das Kriegsministerium und bat im Namen deiner Eltern um Auskunft, aber auch am selben / Vormittag erhielt ich die telegrafische Antwort, das du nach Eger in Böhmen gekommen wärst, ich ging sofort nach Etzen und gab deinen Eltern Bescheid, um auch deine Frau zu benachrichtigen, aber wie ich da war, kam auch schon die (…?) Nachricht von Gr. Süstedt, das auch die Bescheid wußte. Dein Bruder Hermann ist seit längerer Zeit in Gr. Süstedt, und derselbe hat auch Zeit, denn in Etzen können sie allein fertig werden. Wie ich gehört habe dann ging die Wirtschaft mit den alten Onkel (?) von deiner Frau nicht, und mit Wilhelm Kuhlmann war es so eine Sache, derselbe ist auch einige Mal dagewesen, du weißt ja auch wie Wilhelm ist, jetzt kannst du ganz beruhigt sein Hermann bleibt vorläufig da, wenn er nicht noch eingezogen wird, bis dahin hoffe ich aber bist du so weit wieder hergestellt, das du nach Hause kannst, wenigstens auf Urlaub ich weiß ja nicht wie es mit deiner Verwundung ist, alle leicht Verwundeten hier haben längere Zeit Urlaub erhalten, aber ich nehme an das du überhaupt nicht wieder zur Front brauchst.
H. Vogt Rehrhof ist damals schon in Lüttich verwundet, hat 3 mal den Fuß gebrochen, derselbe kam schon mitte (sic) Oktober hier an, der Fuß lag / noch im Gipsverband, ist jedoch jetzt wieder gelöst, er kommt jetzt öfter nach hier er hat vorläufig 3 Monate Urlaub, aber ich glaube, er braucht nicht wieder hin. Der kleine W. Cohrs aus Rehlingen Müller gefallen (…jäger) war auch verwundet am Arm (…?) aber wieder als geheilt zur Front abgereist auch Fersemann ist verwundet an der Hand in Limburg im Lazarett. Jetzt was Trauriges. Funke Etzen ist gefallen in Frankreich bei Lismuden (?) und wird morgen in Bremen beerdigt, derselbe war noch ein paar Tage in Brüssel im Lazarett auch Gärtner Brüggemann in Sottorf ist in Rußland gefallen und Gärtner Hartung (früher in Amelinghausen) und H. Heuer in Oldendorf ist auch gefallen. Heute Mittag erhielt ich Nachricht von Georg Studtmann aus Rußland demselben geht’s im großen und ganzen gut derselbe ist bei Warschau, er schreibt das Krieg führen ist dort sehr schwierig denn die Wege und das Gelände ist dort sehr schwierig zu sumpfig. Hoffendlich (sic) ist Frankreich nun bald besiegt, da der Franzmann keine Reserven mehr hat und die Neger-Indianer-Sinolesen / Kanadier-Engländer und wie sie alle heißen sind auch wohl alle, aber du weißt Deutschland hat noch Truppen genug. Vom Landsturm sind hier sehr wenige eingezogen bislang nur sehr wenige von 40 und 41 Jahren die Ersatzreservisten für (…?) alle eingezogen und werden ausgebildet. Die Rekruten von 1914 sind noch nicht eingezogen, bislang nur die Garde, sämtliche Garnisonen sind noch voll von Millitär (sic). Lieber Karl, der Briefbogen ist ziemlich voll, sonst würde ich dir noch mehr schreiben, wenn möglich, schreibe sobald als möglich, wo du bleibst, in den Zeitungen steht, das die Verwundeten möglichst berücksichtigt werden sollen, wenn Platz ist, sollen sie nach der Heimat ins Lazaret (sic), sobald wie möglich, melde dich dazu, und ich möchte dich besuchen. L. Vogt Soderstorf war neulich 2 Tage hier auf Urlaub, er hatte … sortiert von Ostner (?) nach Güstro (sic), derselbe ist oben in Belgien. Nun sei so gut und schreibe mir die reine Wahrheit wie es dir geht, auf meine Verschwiegenheit kannst du rechnen wenn es keiner wissen soll und sei herzlich gegrüßt von deinem treuen
Vetter H. Rüther
Im Januar 1915 dann musste Hermann als Reservist einrücken und wird an die Westfront abkommandiert.
Ein Foto, das in Munsterlager gemacht wurde, anscheinend kurz vor dem Abmarsch an die Westfront
Ab dem 20. Juli 1915 unternimmt die französische Armee mehrere schwere Angriffe auf die deutschen Stellungen in den Vogesen am „Lingekopf“ bei Münster/Nähe Colmar im südlichen Elsaß, am 1. August auf den Schratzmännle. Hermann kommt im Verlauf dieser Gefechte um.
Er liegt auf dem Soldatenfriedhof Hohrod (Block 2, Grab Nr. 337).
Wir haben ihn im August 2006 – 91 Jahre nach seinem Tod – besucht – hier sind einige Bilder (bitte klicken).
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Feldwebel Krätzig schreibt am 4. August 1915 (der Brief als Faksimile unten):Sehr geehrter Herr und Frau Brammer!Leider muß ich Ihnen die tieftraurige Mitteilung machen, daß Ihr lieber Sohn, der Ers. Res. (Ersatz-Reservist; h.b-w) Hermann Brammer am 1.8.15 den Heldentod für Gott und Vaterland starb. Er fiel von einer Granate in den Kopf getroffen und war sofort tot. Seine Kameraden betteten ihn neben anderen Kameraden in die kühle Erde. Die Kompagnie hat in ihm einen tüchtigen bescheidenen Kameraden verloren; stets werden wir seiner gedenken. Die ganze Kompagnie trauert mit Ihnen, lieber Herr und Frau Brammer.Möge Sie der liebe Gott in Ihrem Schmerze trösten. Hochachtungsvoll Krätzig |
Etzen, den 12. August 1915 Am 1. August fiel auf dem Felde der Ehre unser innigstgeliebter, unvergeßlicher, hoffnungsvoller Sohn, Bruder, Schwager und Onkel Hermann Brammer Ersatz-Reservist im Res.-Inf.-Regt. 92 im 32. Lebensjahre. In tiefem Schmerz, doch gottergeben: Heinrich Brammer und Frau, geb. Rüther Karl Brammer, Gr. Süstedt, z.Z. im Lazarett Berlin, und Frau, geb. Meinecke, und Neffe2. Tim. 4,6.8 Ap.-Gesch. 21,142. Brief an Timotheus, Kap. 4, 6: Denn ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden; 8: Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der HERR an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung liebhaben. Apostelgeschichte Kap. 21,14: Da er aber sich nicht überreden ließ, schwiegen wir und sprachen: Des HERRN Wille geschehe. (aus der Luther-Bibel 1912) |
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unten: Gefallenen-Denkmal in Amelinghausen | ||
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Mémorial du Linge am Lingekopf ist ein Ort der Erinnerung, der auch von Schulklassen aus Deutschland und Frankreich besucht wird. Für diese haben die Franzosen ein „Pädagogischen Dossier“ herausgegeben, betitelt „Der Lingekopf. Schlachtfeld, Ort der Erinnerung“. (Das ist ein PDF-Dokument.) Hierin ist auf S. 4 ein Brief des französischen Hauptmanns Ferdinant Belmont, Offizier der Gebirgsjäger enthalten, der zufällig die Geschehnisse am Schratzmännle beschreibt. (Das war ein Steinbruch, von dem Karl oft erzählt hat, und hier ist Hermann gefallen.) |
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Über das Ergebnis der Kämpfe um den Lingekopf heißt es dort auf S. 3:
„… die Bergspitze des Lingekopfes wurde schliesslich am 16. Oktober 1915 vom französischen Oberkommando nur noch als „klassierte Reibungspunkte“ betrachtet. Die Kämpfe haben 10 000 Franzosen im Alter von 19 bis 20 Jahren und 7 000 jungen Deutschen das Leben gekostet.“ |
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Der Lingekopf, Grab der Jäger 4 Dokumente: Briefe von Hauptmann Ferdinant Belmont, Offizier der GebirgsjägerBrief vom 1. August 1915 über die Angriffe am Lingekopf und Barrenkopf„Trauriger und grossartiger Angriff: zwei Kompanien steigen zum Sturm auf, aufgereiht wie in der Übung und marschieren kaltblütig auf diesen Wald zu, der voll von Hinterhalten ist, durch ein völlig verändertes Gelände, umgepflügt von Granaten und bedeckt von Opfern der vorangegangenen Angriffen. Sehr wenige gelangten bis zum Wald, wo Jäger der preussischen Bewachung stehend in ihrem Schützengraben, damit sie nicht von einem Geschoss getroffen werden konnten, das Gewehr angelegt und zielend auf einen nach dem andern von unseren bedauernswerten Jägern. Wie viele sind so gefallen, getroffen von einer Kugel mitten in die Stirn oder in die Brust, als die kaum 200m durchrannten, die sie vom Waldrand trennten. Und welche Gedanken hatten diese dort, als sie sich diesem verhängnisvollen Rand näherten und sehen konnten die Deutschen Seite an Seite, die sie erwarteten hinter unentwirrbaren Verflechtung von Holzrittern und Stacheldrahtverhauen? Arme, brave Männer. Gleichzeitig nahmen Maschinengewehre, verborgen in den Steinbrüchen des Schratz zu unserer linken die Linie unter ihr Flächenfeuer. All diese, die sich am Waldrand befanden, wenige Meter entfernt von den Deutschen, die dauernd schossen, kauerten sich in die Granatenlöcher, wo sie blieben bis am anderen Tag abends, indem sie ohne Unterbruch Kugeln, Granaten und Knallkörper mit den Deutschen austauschten. Diese Angelegenheiten am Linge- und Barrenkopf sind sehr hart, sie haben uns extrem hohe Verluste gekostet. |
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