Brammer-Stuhtmann

Zur Geschichte der Familien Stuhtmann und Brammer in Raven, Etzen und Eyendorf

Meyerhof – Hof Stuhtmann – Hof Brammer

> „De Meyger“ von Raven (Winsener Anzeiger 1969)

> Bilder – bitte hier klicken oder in eines der Bilder unten

Luftaufnahme, ca. 1960:

Luftaufnahme, ca. 1980

> Ein Spaziergang im Jahre 1950 (Bilderstrecke; bitte klicken)

____________

Die Ursprünge

Die Anfänge des Hofes, der seit 1949 Brammer heißt, von 1796 bis 1949 Stuhtmann, davor „de Meyger“ (es handelte sich um einen Meierhof, also um einen Hof, der einem auswärtigen Edelmann gehörte und von einem maior domus = Vorsteher des Hauses, „Hausmeier“ verwaltet wurde) liegen im Mittelalter, möglicherweise schon in fränkischer Zeit. Das erste Mal urkundlich erwähnt wird er 1231 in dem Testament des Bischofs Iso von Wölpe. Darin ist von 4 Hofstellen in Raven die Rede, den späteren Höfen Nr. 1-4 (Nr. 1: der Meierhof; Nr. 2: Vickenbuur / Gellersen; Nr. 3: Härrsbuur / Müller; Nr. 4: Wölper). Der Meierhof ist der einzige „Vollhof“, gemäß späterer Festlegung ca. 500 Morgen groß. Zu erkennen ist das an den beiden Pferdeköpfen am hofseitigen Giebel, die voneinander wegschauen. Die drei anderen waren sog. „Halbhöfe“ – die Pferdeköpfe schauen einander an.

Der Meierhof liegt auf einer der auffallenden Anhöhen. Die eine ist der „Opferberg“. Der Sage nach wurden hier heilige Vögel – Raben (daher der Name „Raven“, plattdeutsch: „Raben“) zu Ehren des germanischen Gottes Odin, der auch „Rabengott“ genannt wurde, gehalten.
Als nun Raven in fränkischer Zeit christianisiert wurde, so geht die Legende, da öffnete man den Käfig und entschied, dass da, wo die Raben sich niederlassen sollten, die Kirche zu stehen kommen solle. Sie flogen keine 100 Meter weit bis zur nächsten Anhöhe, dem Kirchberg. Und so vermute ich, dass der Meyerhof auf die dritte Anhöhe kam, wo er heute noch ist.
Wir sehen also gleichsam eine Dreifaltigkeit aus altem und überwundenem germanischem Kult auf dem verlassenen Opferberg, dem triumphierenden Christentum auf dem Kirchberg und der weltlichen Herrschaft oben hinter dem Eichhof.

Die Fläche mit Wiesen, Weiden, Obstgärten, dem Eichhof – ein solcher gehörte im Mittelalter zu allen großen Gehöften, z.B. als Schweineweide – und allerhand Gebäuden umfasste etwa knapp 3ha. Es ist etwa ein Viertel des Dorfkerns auf der einen Seite des Kirchwegs, der damals zweifellos der bedeutendste Weg neben der Straße nach Wetzen-Evendorf oder Rolfsen-Eyendorf gewesen ist. Weil der Hof ja in kirchlichem Eigentum war, konnte die Kirche darüber verfügen, und so wurde ein Streifen Landes mit Gartenfläche abgetrennt, als ein Pfarrwitwenhaus / Armenhaus gebaut werden musste, das spätere Pastorenhaus.
Es wurde bis 1964 genutzt und ist sehr schön restauriert worden.

Zurück zur Geschichte: Nachdem sich angeblich die Brüder „Meyger“ so sehr zerstritten haben, dass sie nicht einmal zum Heiraten kamen, kaufte 1796 Johann Friedrich Stuhtmann aus Amelinghausen (vom Glockenhof) für 100 Taler den Hof und verpflichtete sich, die drei Streithähne bis zum Tode zu pflegen.

____________

Die Flurbereinigung

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in vielen Dörfern des damaligen Königreichs Hannover Maßnahmen zur Flurbereinigung durchgeführt; so sollte landwirtschaftlicher Streubesitz zu größeren Einheiten zusammengefasst werden und die Nutzung von Wegen und Gehölzen in einem sog. „Rezess“ geregelt werden. Ein solcher Rezess trägt Vertragscharakter, und er muss deshalb auch von den Eigentümern unterschrieben werden. Modern ausgedrückt finden sich auch Elemente einer Planfeststellung darin.

Um die Ravener Flurbereinigung, die dann im „Ravener Rezess“ festgelegt wurde, durchzuführen, reiste eine Kommission von Beamten aus der Kreisstadt Winsen sowie aus königlichen Beamten aus Hannover an. Sie wurden natürlich auf dem Hof Nr. 1 untergebracht, beim „Meyger“, also bei „Stuhtmannsbuhr“. Damals war das Johann Friedrich Christian. Und der sagte zu seinen Leuten, als die Kommission ihm angekündigt wurde: „Riet‘ alles her, wat inne Kök und in’n Keller und in’n Goadn is – de möt’t na nix fragen!“ („Reißt alles her, was in der Küche und im Keller und im Garten ist – die müssen nach nichts fragen!“) Also sollte man den Beamten jeden Wunsch von den Lippen ablesen, und der Chronist will gerne glauben, dass sie sehr gut gelebt haben auf Stuhtmanns Hof.
Wie dem auch sei, der Hof Stuhtmann galt ungefähr 100 Jahre lang als der am besten arrondierte Hof im ganzen Landkreis Winsen/Luhe: Gut 400 Morgen Ackerland und Wald in einer zusammenhängenden Fläche sowie rund 60 Morgen in der „Bassenkuhle“, die „Buchkuhle“ (die Helmut unverständlicherweise verkauft hat), dazu einige wenige kleinere Flächen. Weil aber kaum Streubesitz zu beackern war, sparte Stuhtmann auf jeden Fall Wegezeit ein. Ob das der Grund für seinen Wohlstand war, sei dahingestellt.


Johann Friedrich Stuhtmann baut das größte Haus im Landkreis

1857 wird Johann Friedrich Stuhtmann (Gustavs Vater) Eigentümer. Nachdem das alte Haus – wohl durch Blitzschlag – unbewohnbar geworden oder abgebrannt war, andere sagen, der Bauer habe es abreißen lassen, begann er 1863 mit dem Neubau, der 1865 bezogen wurde. Diese Daten kann man über der Haustür sehen, auf das Oberlicht aufgetragen. Das Stuhtmannsche Haus war das größte im damaligen Landkreis Winsen, zu dem Raven bis 1974 gehörte: Mit etwa 40m Länge und gut 15m Breite kann es mit dem Rathaus der Hansestadt Bremen (!) aufnehmen, das 42x16m misst. (Ob er es unbedingt mit den Bremern aufnehmen wollte, steht dahin. Mit der schieren Größe hat er aber ein Zeichen gesetzt: bestarrondierter Hof im Landkreis, nun größtes Haus im Landkreis – Rekorde, Rekorde!) Übrigens hat Gustavs Bruder Karl in Soderstorf ein kleineres, aber maßstabsgetreues und im Grundriss ähnliches Haus gebaut.

____________

Gustav Stuhtmann, der kein Bauer werden wollte

Fahren wir nun auf Sicht, unser Großonkel Gustav Stuhtmann ist mir noch in recht lebhafter Erinnerung. Gustav also, Jahrgang 1868, der älteste Sohn in der Reihe der 6 Kinder des Landwirts Johann Friedrich Stuhtmann – Wilhelmine, Meta, Gustav, Julius, Karl, Heinrich –  übernahm Ende des 19. Jh. den Betrieb. Dies musste er aus dem einzigen grunde, dass er der älteste Sohn war. Viel lieber wäre er Tierarzt geworden. Und so verlegte er sich auf das Züchten von Hunden und Pferden (und gründete den Luhmühlener Reiterverein mit).
1905 heiratet er Emma Wolter, die Tochter des Küsters, Kantors, Organisten und Dorfschulmeisters Wolter („Köster Wolder“). 1906 wird ihre Tochter Käte geboren, die am 16. Juni 1924 mit gerade mal 17 Jahren verstorben ist. Das hat Gustav viel an Lebensmut genommen, und Emma empfndet den Tod ihrer Tochter als Strafe Gottes. Sie wird bis zu ihrem Tode 1964 immer schwarze Kleidung tragen.

Der Hof war unter Gustav Stuhtmann in einen „Dornröschenschlaf“ gefallen, wie es Bürgermeister Jürgen Müller einmal formulierte.
Nach Käthes frühem Tod hatte er wohl erst recht keine Lust und bestimmt keine auch Kraft mehr, sich intensiv um den Betrieb zu kümmern. Er hat ihn die Nazizeit und die Kriegszeit hindurch und auch nach dem Kriege über Wassser gehalten.

Und nach dem Kriege waren über 25 Ausgebombte und Flüchtlinge untergebracht – davon auf einer besonderen Seite.

1946 adoptiert er Ursula („Urschen“, wie sie in Eyendorf hieß), die jüngere der beiden Töchter seines jüngsten und Lieblings-Bruders Heinrich. Damit sind alle eventuellen Anwärter auf den Hof ausgebootet – seine Brüder hatten Söhne, die eigentlich eher zum Zuge kommen sollten, weil a) ihre Väter älter als Heinrich waren, b) sie Männer waren, c) Ursula eine Frau war.
Durch die Adoption war sie aber an die erste Stelle in der Nachfolge gerückt, und im Okober 1946 überscheibt er ihr den Hof.

____________


Helmut Brammer aus Etzen heiratet 1949 ein

Helmut – unser Vater – wird 1948 Betriebsleiter. Am 15. Juli 1949 heiraten er und Ursula Stuhtmann, Gustavs Nichte. Sein Vater Karl in Etzen gibt ihm mit auf den Weg: „Du freist nu in Gustav Stuhtmann sienen schönen Hof. Lat di dat nich te Kopp stiegen! Köp bloß wot du betaln kannst. Du kannst nich höger kladdern as wie de Boom Telkens hett!“ („Du heiratest nun in Gustav Stuhtmanns  schönen Hof. Lass Dir das nicht zu Kopfe steigen. Kaufe nur, was du auch bezahlen kannst. Du kannst nicht hher klettern als der Baum Zweige hat.“)

Helmut sorgt für einen gewaltigen Schub in Richtung auf Modernisierung:
Er schafft Maschine auf Maschine an, baut 1954 einen Maschinenschuppen, erneuert 1956 den Kuhstall und einen Teil des Wohnhauses, baut 1962 an der Stelle des durch Brandstiftung niedergebrannten alten Schafstalles eine Kartoffelscheune.

Die Bilder geben einen kleinen Eindruck von den großen Veränderungen; es sind Luftaufnahmen aus den 50er und 80er Jahren. Besonders schön sind die alten Eichen, die die Hofstelle umgeben. Manche sind wohl mehr als 200 Jahre alt und von dem ersten Stuhtmann nach 1796 angepflanzt worden – als Schutz vor Sturm, aber auch als Blitzableiter – so haben wir es in der „Volksschule“ gelernt.

____________

> Ein Spaziergang im Jahre 1950   


Luftaufnahme aus den 80iger Jahren: Rechts oben ist hinter den Bäumen die Kartoffelscheune zu erkennen. Der Teich ist zur Hälfte zugeschüttet.

Aufnahme aus den späten 70er Jahren, nicht genau datierbar

Diese Luftaufnahme ist von Westen her aufgenommen worden; die Farben sind über die Jahre leider verwischt, besser ist da schwarz-weiß. Man sieht (von links) die Kartoffelscheune, dann den Teich, das Schweinehaus und das Haus selbst. An der Straße stehen die wohl nach 1796 von J. Stuhtmann, dem Käufer des Meyerhofes angepflanzten alten Eichen, die den Hof umsäumten. Sie sind 2014 gefällt worden.

Hier eine Luftraufnahme aus den späten 50er Jahren. Das Gebäude in der Mitte des Hofes ist der alte Schafstall, an den sich wie ein umgekehrtes „L“ der Pferdestall schmiegte. Beide Gebäude sind am Pfingstmontag, den 11. Juni 1962 durch Brandtiftung zerstört worden. An dieser Stelle steht nun die Kartoffelscheune.

Käthe Stuhtmann hat gerne mit Tusche gemalt, so wie hier die hofseitige Ansicht des Hauses. Hinter dem Haus ist der Speicher, dann die Steinmauer und rechts die Scheune. Das Bild wurde 1914/1915 gemalt.
Das Haus wurde im Sommer 1956 umgebaut: Das Fachwerk im Erdgeschoss jenseits des Wohnbereichs wurde durch eine massive Mauer ersetzt, und ein für damals moderner Kuhstall wurde gebaut, eine neue Küche, die Otto Stelter aus Rolfsen gefertigt und eingebaut hat, eine Waschküche, beides mit Terrazzo-Fliesen, sowie ein Badezimmer plus Wasserklosett (bis dato gingen wir hinters Schweinehaus auf einen Holzkasten über der Jauchegrube), Dusche für die Landarbeiter im Hause. 1960 wurde eine Zentralheizung eingebaut, zunächst mit Holz- dann mit Koksbetrieb – die 6 Öfen waren überflüssig geworden und wurden entfernt. 1970 wurde eine Ölheizung – damals kostete der Liter Heizöl 15 – 20 Pfennige! – eingebaut, für die der große Waschkessel weggerissen wurde. Das waren große Investitionen nach dem Stand der Technik.
Im Februar/März 2016 wurde das Haus auf Veranlassung der Erbin abgerissen.

____________

Anschaffungen: Maschinen nach dem Stand der Technik

Unten findet sich eine Aufstellung der angeschafften Geräte bis 1959 – gleichsam eine Bilanz der Modernisierung nach 10 Jahren auf dem Hof. Ich weiß nicht, wer die Posten aufgeschrieben hat, vielleicht Heinrich Rieckmann? “De künn fein schrieben!” – Die Preisangaben jedenfalls hat Helmut selbst eingefügt.

Ganz oben steht natürlich der Lanz-Bulldog – was sonst?

weitere Anschaffungen über die Jahre:

1952 kaufte Helmut Brammer – „der Chef“ / „der Boss“, wie man ihn seit Mitte der sechziger Jahre nennt – den 25 PS starken ersten Lanz Bulldog. (Die Firma Lanz wurde von John Deere übernommen.) Für die damalige Zeit waren 25 PS sehr viel und Schlepper mit 35 oder mehr PS eher für die großen Farmen in den USA.

1952 hat Der Chef einen Kartoffelroder der Marke Schatzgräber gekauft

1954 wurde ein Kartoffelroder (VR2) angeschafft. Mit dieser Maschine konnten die Kartoffeln aufgepflügt werden und über ein Förderband nach hinten ausgeworfen werden. Dann wurden sie aufgesammelt und abgefahren. Zeitweilig waren auf diese Weise 40 bis 50 Leute in der Kartoffelernte beschäftigt.

1957 kaufte er als erster Landwirt im Kreis Harburg einen Rübenvollernter, Fabrikat „Stoll“. Zwar musste noch eine Person auf dem Roder sitzen und mit einer Art Lenkrad Höhen und Spur ausgleichen, aber ganz erhebliche körperliche Arbeit fiel weg.

1959 wurde ein IHC (später mit Frontlader nachgerüstet) angeschafft, McCormick Farmall, 30 PS. „Opa Etzen“ (Karl Brammer) nannte ihn „De olle Schnurrkatt“ – er war ihm zu leise.

1960 wurde ein Mähdrescher, Fabrikat Claas Europa angeschafft. Er hatte noch keinen Korntank, sondern eine Absackvorrichtung. Eine Kraft musste auf einer Plattform stehen und die Säcke abnehmen und zubinden, wenn sie voll waren.

1961 kaufte „der Chef“ einen stärkeren Lanz Bulldog mit 45 PS

1962/63 wurde die Kartoffelscheune mit Förderbändern der Firma Penz ausgestattet

1970 kaufte „der Chef“ einen Kartoffelvollernter „Bergmann“

1974 kam der Mähdrescher Claas Mercator mit 3m Schnittbreite

1975 wurde ein IHC-Allradschlepper mit 75 PS angeschafft, später ein weiterer mit 95 PS

1975 wird ein Rübenvollernter „Bleinroth“ gekauft

1982 wird dieser in einen Rübenroder der Marke „Stoll“ eingetauscht

____________

1988 wird der Hof ohne Schulden an den Sohn überschrieben.
Die „weichenden Erben“ werden mit je einem Bauplatz abgefunden.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung