Die Geschichte eines Hauses
ist die Geschichte seiner Bewohner,
die Geschichte seiner Bewohner
ist die Geschichte der Zeit,
in welcher sie lebten und leben,
die Geschichte der Zeiten
ist die Geschichte der Menschheit.
(Wilhelm Raabe)
1863 ist das ältere Haus wohl nach einem Blitzeinschlag abgebrannt, andere sagen, Gustavs Vater Johann Friedrich Stuhtmann habe es abreißen lassen. Jedenfalls wurde 1865 das neue Haus fertig, solides Eichenfachwerk. Es war übrigens mit 40m Länge und ca. 15m Breite das größte Haus im Kreis Harburg. (Das sind annähernd die Abmessungen des großen Rathauses der Hansestadt Bremen. Ob J. F. Stuhtmann in einer solchen Liga spielen wollte, ist nicht überliefert; das ist wohl eher Zufall. Wie wohlhabend er war, das wollte er aber sicherlich zeigen.)
Gustav wurde hier geboren, seine Schwestern Wilhelmine und Meta auch und seine Brüder Julius, Karl und Heinrich ebenfalls.
Und wir 4 Brammer-Kinder sind hier aufgewachsen, haben im Garten, auf den Wiesen, unter den alten Eichen, die den Hof seit gut 200 Jahren umgeben, und im Eichhof gespielt.
Es folgen Bilder (Fotos: privat), die den Wandel über 150 Jahre zeigen – eine versunkene Welt.
Nachtrag: Das Haus wurde ab dem 29. Februar 2016 etwa zwei Wochen lang abgerissen und als 750 Tonnen Schutt abtransportiert, zerstört nach zweieinhalb Jahren und drei Wintern Leerstand oder „Dornröschenschlaf“, wie eine Eingeweihte formulierte.
Zunächst kommt eine Sammlung von Fotos über die Jahre, weiter unten dann erläuterte und kommentierte Bilder.
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1984: Bild von Mark Bishop gemalt, nun zurückm in der Zeit
Gustav und Tochter Käte Stuhtmannstehen vor ihremdem Haus, auf der Veranda steht Emma.
1950
Ähnliche Perspektive 1990
1964 – in den 60er Jahren war der „Jägerzaun“ angesagt.
Anfang der 70er Jahre; die alten Sprossenfenster hat Helmut durch größere, besser isolierte „Löcher“ ersetzen lassen. Man wollte eben keinen „Schnickschnack“ damals. Immerhin gehörten nun die „Eisblumen“ an den Innenseiten der Fenster der Vergangenheit an.
(In Berlin hat man ja auch den Stuck von den Häuserwänden abgeschlagen und aus den Zimmern entfernt, Decken abgehängt und mehr Sünden begangen – heutzutage versucht man, das alles mit großem Aufwand rückgängig zu machen.)
Dieses Bild ist vor 1975 entstanden, denn der Hund Hasso ist noch abgebildet. Er war Walters Hund und ist auf dem Hof geblieben, nachdem Walter gekündigt hatte, um in Hamburg zu arbeiten.
1984 – es grünt so grün, wenn Ravens Blumen blühen.
Die blau-gelben, diagonal gelegten Fliesen hat wahrscheinlich Emma (Stuhtmann, geb. Wolter) legen lassen. Denn exakt die gleichen Fliesen, sehr solide und sozusagen „unkaputtbar“ verlegt, finden sich in im Flur der Ravener Schule (die heute als Jugendheim genutzt wird). Emma war Tochter des Küsters Wolter (der auch Organist, Kantor und Lehrer war) und hat am 5. November 1905 Gustav geheiratet, sozusagen den Eichhof hinauf.
Übrigens war dieser Flur der Ort, an dem die Stuhtmanns, Gustavs Geschwister zusammenkamen, um Kaffee zu trinken und Zungenragout zu essen. Bis 1949 wurde auf dem Flur auch gesponnen, 12 Spinnräder, von denen Helmut einige weggegeben hat, waren auf dem Dachboden.
Der Giebel an der Südseite (1990)
2002
2002
Das Brammer-Haus im „Dornröschenschlaf“, Januar 2016. „Eine Roose wird eerwachen“, erklärte eine Eingeweihte. Das Märchen erzählt allerdings weder von einer Rose noch von dem Abrissbagger:
„Das Haus ist in guten Händen.“ (K.B.). Das sieht man.
Ab dem 29. Februar 2016 – Dornröschen wird etwa zwei Wochen lang „wachgeküsst“ – es bleiben ca. 750 Tonnen Ziegeln, Holz und Glas. Das haus war viel, viel mehr als ein Haufen Schutt.
Das farbige Glas über der Haustür weist in den großen Feldern auf den Erbauer des Hauses 1865 hin.
Furchtbar. Ein großes Stück Heimat und das Stammhaus so vieler Familien für immer zerstört …