Brammer-Stuhtmann

Zur Geschichte der Familien Stuhtmann und Brammer in Raven, Etzen und Eyendorf

Schularbeit von Bernd Kistenmacher (geschrieben 1955)

I. Einführung

a. Wo liegt Raven?
Abseits der großen Straßen und des Hauptverkehrsnetzes liegt in mitten schönster Heide und Wälder, in der niederdeutschen Tiefebene das Kirchdörflein Raven. Es gehört zum Regierungsbezirk Lüneburg und zum Landkreis Harburg.
Das Kirchdorf Raven, niederdeutsch Raben, liegt unterm 53° 10′ nördlicher Breite und 10° 10′ östlicher Länge in der Landdrostei Lüneburg und in der südöstlichen Spitze des Kreises Harburg und des Amtes Winsen an der Luhe. Es zählt 31 Wohnhäuser und hat einschließlich der Flüchtlinge ca. 400 Einwohner.
Gleich am Anfang des Dorfes liegt einer mit der größten des Landkreises Harburg, der „Stuhtmannsche Hof“
Um nach Raven zu kommen, fährt man zuerst mit dem Zug bis Winsen und steigt dann in die Kleinbahn Winsen-Hützel um, die uns bis nach Eyendorf bringt, wo wir den Zug verlassen.- Von hier führt ein wunderschöner Weg, 4 km, durch Wald und Feld nach Raven.
Bis 1906 mussten die Bauern, um nach Winsen zu kommen, mit Pferd und Wagen fahren, denn erst im Jahre 1906 wurde die Kleinbahnlinie Winsen-Hützel eröffnet. Die Eröffnung wurde ein großes Fest, denn für alle Dörfer dieser Strecke war es die einzige Verkehrsanbindung.
Einige Jahre später wurde auch die Bahnlinie Lüneburg-Soltau eröffnet. Von dem 4 km entferntem Dorf Soderstorf hatte man eine direkte Verbindung nach Lüneburg, wohin die meisten Bauern auch zum Markt fuhren. Der nächstgrößere Ort in der Nähe von Raven ist das 6 km entfernte Salzhausen. Hier befinden sich auch Krankenhaus und größere Geschäfte.
Das Gemeindedorf Raven gehört zum Gau Amelinghausen und nicht zum Gau Salzhausen.

Abb. 1: Dorfeingang

Abb. 2:Von Bäumen umgeben – Der Stuhtmannsche Hof

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b. Wie kam ich auf den Stuhtmannschen Hof?
Nach unserer Ausbombung im Jahre 1943 wurden wir in die Lüneburger Heide evakuiert. Wir kamen ins Kirchdorf Raven und wurden auf dem größten Bauernhof untergebracht.
Im Herbst 1945 kam ich dort in die Dorfschule und Herr Lehrer Lüthge lehrte mich das A. B. C. Obwohl wir 1947 wieder nach Hamburg zurückkehrten, hielten wir die Verbindung nach Raven aufrecht.
Durch die vielen Jahre, die wir dort lebten, bekam ich Interesse an der Landwirtschaft. So kam es auch, dass ich in meiner Abschlussarbeit über einen Bauernhof schreiben wollte. Da der Stuhtmannsche Hof der älteste und größte Hof in Raven ist, entschloss ich mich, hierüber zu schreiben.
Da uns noch eine enge Freundschaft mit Stuhtmanns verbindet, hatte ich Gelegenheit noch einiges über den Hof und seine Geschichte zu erfahren.

c. Kleiner Einblick in die Geschichte Ravens
Auf diesem Kirchdorf ruht noch der Friede früherer Jahrhunderte, wie man ihn in der jetzigen Zeit kaum noch kennt.
Über die zum Teil noch strohbedeckten Häuser des Dorfes erhebt sich auf einem kleinen Hügel inmitten des Friedhofes , weithin sichtbar, der schlichte Turm der Martinskirche. Wahrscheinlicher Gründer der Kirche war der Graf Iso von Wölpe.- Am 5.8.1231 starb er und es muss demnach der Bau der Kirche schon festgestanden haben. Im Bau kam die Kirche noch nicht gewesen sein, denn erst einige Jahre später fing man mit Backsteinbauten im norddeutschen Raum an.- Das Baumaterial besteht zur Hauptsache aus Backsteinen und Findlingsblöcken; sie ist im gotischen Stil gebaut.

Abb. 3: Die Kirche in Raven

Abb. 4: Kirchtür

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Um 1530 wird die Reformation wohl auch hier Eingang gefunden haben, denn 1543 wird als zweiter evangelischer Prediger Ludolf Smitt genannt; es muss daher schon vor ihm ein evangelischer Prediger dort tätig gewesen sein.
In dem Kirchturm, der etwas später gebaut wurde, hängen zwei Glocken, wovon die kleinere, die Betglocke, noch heute die Gläubigen dreimal täglich zur kurzen Andacht ruft. Zu dem Kirchsprengel Raven gehören die Dörfer Wetzen, Rolfsen, Soderstorf, Schwindebeck und noch bis vor kurzem Evendorf.
Uralte Kultstätten liegen in der nächsten Umgebung des Dorfes. Große Steingrabkammern und Reste bronzezeitlicher Siedlungsstätten wurden hier entdeckt. Außerdem fand man Steinwaffen, was vermuten lässt, dass hier schon vor Jahrtausenden Menschen wohnten, die es wagten, den Kampf mit Bär und Wolf aufzunehmen.
Über die Entstehung des Namens „Raven“ lässt sich streiten. Viel angenommen wird, dass es eine Ableitung aus dem Namen Ravenah (Rabenhöhe) ist. Eine Sage erzählt, dass der Name von den Raben abgeleitet ist. Die Sage ist wohl so aufgekommen: Als man die Kirche bauen wollte, war man sich nicht einig, wo sie stehen sollte. Man ließ einen Raben fliegen, und wo er sich zuerst niederließ, wollte man die Kirche bauen. Nach dem Raben benannte man wohl das damals aus vier Höfen bestehende Dorf „Raven“.
Die Höhe von 106 m ü. M. hatte einen großen Nachteil für das Dorf. Das Trinkwasser musste tief aus der Erde gebohrt werden. Als im Jahre 1947 die große Dürre herrschte, war das Wasser so knapp, dass man es für das Vieh aus der Luhe heran holen musste. Viele Zisternen waren damals aufgestellt, um jeden Tropfen Regenwasser aufzufangen. Die meisten Wasserverbraucher zogen zum 60 m tiefen Gemeindebrunnen, um das kostbare Nass zu holen. Der Bau einer Wasserleitung war mit großen Kosten verbunden, was aber unumgänglich geworden. Im Jahre 1949 fing man an zu bohren. Nach sehr tiefer und langer Bohrung stieß man endlich auf Wasser, und 1950 konnte man zum ersten Mal Wasser aus einer Leitung bei der Bohrstelle holen. Nun fing man an, nach und nach Wasserleitungen in die Häuser zu legen.

ght: normal; letter-spacing: normal; line-height: normal; text-align: start; text-indent: 0px; text-transform: none; white-spaceAbb. 5: Über alles ragt der schlichte Turm

Abb. 6: Altes Lehmhaus in Raven

Abb. 7: Hünengrab I

Abb. 8: Hünengrab II

Abb. 10: Feuersteingeräte

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II. Vermutliche Entstehung des Hofes und seine Bedeutung für Raven
Durch Nachforschungen des Pastors Becker, der der etwa 35 Jahre (bis 1917) in Raven tätig war, kam man darauf, dass der Stuhtmannsche Hof Wahrscheinlich aus der heidnischen Zeit stammt. Es ist anzunehmen, dass der Hof damals ein Priestersitz war, denn es gibt in der näheren Umgebung einige Kultstätten, die darauf hinweisen, z.B. der Opferberg, der Kirschenhügel und die Hünengräber. (Ob der Hof bis zur Überbringung des Christentums ein Priestersitz war, weiß man noch nicht). Noch nicht festgestellt ist, ob der Hof damals schon an der gleichen Stelle lag wie heute. Das einzige, was darauf schließen lässt, ist ein Wiesenquell, der noch heute auf einer Wiese des Hauses zu sehen ist; auch ein Teich auf dem Hof, unter dem eine Quelle ist, lässt darauf schließen.
Da sich früher fast alle Wege beim Stuhtmannschen Hof trafen, ist es anzunehmen, dass er lange Zeit der einzige Hof in Raven war.- Auf einer Karte der Kurfürstlichen Landesaufnahme von Hannover 1776 ist dies noch deutlich zu sehen.

Erst später gesellte sich noch ein zweiter Hof (Abb. 11) an einer anderen Wasserquelle hinzu. Jahrhunderte später teilte sich dieser Hof aber und es wurden zwei Halbhöfe daraus (Abb. 12). Von dieser Zeit an bis jetzt ist der Stuhtmannsche Hof der einzige Vollhof in Raven.

In der Zeit von 1205 – 31 wurde ein Teil der Pfarrherrschaft Raven, worunter auch der Hof war, vom Grafen „Iso von Wölpe“ an den „Bischof von Verden“ verschenkt. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste Urkunde. In dieser Urkunde heißt es:
„Wir wollen, dass man unsern Brüdern aus unserer Mitte an einem jährlich wieder kehrendem Tag dient. Wir haben unseren Brüdern mit allen Rechten unsern Gütern zu Raven (mit allem, was dazugehört) die väterlichem Erbe übernommen haben, ohne Nutznießung der menschlichen Dienstleistung der Acker, Weiden, Wälder und Gewässer mit Einwilligung unserer seligen Schwester Adelheid und ihres Sohnes Johann von Brüninghausen, seines Neffen der ihr einziger Beschützer war, was man gewöhnlich Vormund nennt. Wir übertragen den Besitz derselben Güter ihnen selbst. Die Erträge derselben durch die Hand der Vorgesetzten Mayer aus Teilen genommen, hat er den Arhidakonus verpflichtet für eine Zeit lang.“

Hiernach gehörte der Hof zum Bistum Verden und der Bischof war wahrscheinlich Gutsherr.
Schon unter Karl dem Großen war der Hof ein Maier-Hof (Verwalterhof), und es wurden Verwalter auf den Hof gesetzt.
Als nun um 1300 die Nachnamen aufkamen, wurden die Verwalter der Maier-Höfe natürlich Meyer genannt. – Zum ersten Mal ist der Name im Winsener Schatzregister von 1450 registriert, wo folgendes steht:
De Meyger 1 Plog (60 Morgen) (bedeutet Vollhof)
Alle anderen Aufschreibungen über die Familie Meyer bis 1652 sind leider durch die Wirrnisse im 30 jährigen Krieg verloren gegangen.
Da der Stuhtmannsche Hof der größte Hof in Raven ist, hat er auch eine besondere Stellung in Raven.
Die Feldmark Raven ist ungefähr 502 ha groß. Dieses Gebiet teilen sich 1 Vollhof, 3 Halbhöfe, 6 Brinkbesitzer und 5 Anbauer.
Von diesen 502 ha fallen 128 ha, also ¼ auf den Stuhtmannschen Hof – 10 ha hat der Hof auch noch in der angrenzenden Eyendorfer Feldmark. Über 40 ha hat der Hof mehr als der zweitgrößte im Ort.
Aus dieser Ackergrundlage konnte der Hof nun auch mehr Vieh als die anderen Höfe halten. Eine Viehzählung aus dem Jahre 1951 zeigt es m deutlichsten. Damals waren 25 Pferde, 143 Stück Rindvieh, 8 Schafe, 297 Schweine, 6 Ziegen, 40 Bienenstöcke, 996 Hühner, 60 Gänse und 7 Enten in Raven; 7 Pferde, 43 Stück Rindvieh, 4 Schafe, 55 Schweine, 80 Hühner und drei Gänse waren auf dem Stuhtmannschen Hof. Außerdem befanden sich noch 3 Puten und 30 Tauben auf dem Hof.

Abb. 11: Wasserquellen und der zweite Hof

Abb. 12: Teilung des zweiten Hofes und zwei Halbhöfe

Abb. 13: Höhenzüge und Eisenbahnen

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III. Älteste Urkunden und Bewohner des Hofes bis heute

Urkunden über den Hof und seine Geschichte sind nicht mehr vorhanden. Das einzige, was etwas über die Familien auf dem Hof sagen kann, ist das Familienbuch. Im Familienbuch der Kirche zu Raven sind die Bewohner des Hofes bis jetzt aufgeführt. Im Jahre 1652 beginnt es mit Lütke Meyer und endet jetzt mit Helmut Brammer. Einzelne Daten und noch andere Angaben über die Familie Stuhtmann, die bis jetzt auf dem Hof lebte, holte ich mir von dem heute noch lebendem Landwirt Herrn Gustav Stuhtmann.

Im Jahre 1652 übernimmt Lütke Meyer von seinem Vater den Hof. Er war Kirchenjurat und hatte zwei Söhne. Sein zweiter Sohn Hans war Küster in Raven.
1665 übernimmt sein erster Sohn Christopher Meyer den Hof, der wie sein Vater Kirchenjurat war. Er hatte fünf Kinder und war bis 1687 im Besitz des Hofes.
Aus dem Lagerbuch des Amtes Winsen von 1681 geht hervor, dass er ein Krüger war (also ein Gastwirt), welcher : 66 Himtsaat Land, 1 Fuder Heu, 2 Pferde, 21 Kopf Rindvieh, 9 Schweine, 160 Schafe, 4 Immen, besaß und dafür dem Gutsherrn 1 Taler 24 Schilling Zins, dem Amte Winsen 12 Schilling Burgfestengeld und 1 Taler 18 Schilling Akzise für den Krug bezahlen musste. In Raven galt Christopher Meyer wahrscheinlich als Hexer, und muss er wahrscheinlich in einen Hexenprozess verwickelt gewesen sein, denn er wurde später hingerichtet. Im Familienbuch der Gemeinde Raven steht hierüber folgendes:
Am 6. Oktober des Jahres 1687 wurde Chr. Meyer in Garlstorf gerichtet und verbrannt.
Hiernach übernimmt sein ältester Sohn Hans Christopher Meyer den Hof. 1695 verheiratet er sich, und seine Frau schenkt ihm 7 Kinder. Am 4 Januar 1721 stirbt er plötzlich.
Seine Frau Anna geb. Völker heiratet am 2. März 1721 den Interimswirt Heinrich Blank. Heinrich Blank stirbt am 24. Oktober 1748, im 67. Lebensjahr kinderlos. Seine Frau lebt noch bis zum 4. Dezember 1751; sie ist 84 Jahre alt geworden. Nach dem Tode übernimmt der zweite Sohn von drei Söhnen aus der ersten Ehe den Hof. Hinrich Claus Meyer lebt von 1702 bis zum 4. Januar 1753. Am 13. November 1732 heiratete er, bleibt aber auch ohne Nachkommen.
Der Hof geht nun auf seinen Bruder Peter Meyer über. Peter Meyer wurde am 13. Mai 1711 geboren; im Jahre 1736 heiratet er, und er stirbt am 26.6.1782. Er hinterlässt sechs Kinder.
Seine beiden einzigen Söhne Peter (1746- 1807) und Johann Hinrich Meyer (1747-1808) hinderten einander unter den größten Gewalttätigkeiten am Heiraten. Dadurch, dass keiner heiratete, waren keine Erben auf dem Hof, und er konnte nicht im Besitz der Familie Meyer, die ihn jahrhundertelang gut erhalten hatte, bleiben.
Da der Hof von den Erben nicht zu halten war, wurde er ausgetan, und die Erben wurden auf demselben verpflegt.

So wurde der Hof um 1800 [1796] an den Konstabler Johann Friedrich Christoph Stuhtmann aus Hannover für ca. 100 Taler verkauft. Mit diesem Kauf waren alle Verpflichtungen gegenüber dem Stift Verden (nach der Reformation wurde aus dem Bistum ein Stift Verden) abgegolten.

Am 15. Januar 1834 stirbt J. F. C. Stuhtmann. Das Datum seiner Eheschließung ist nicht bekannt, denn er war schon verheiratet, als er nach Raven kam. Friedrich Stuhtmann hatte 6 Kinder.
Sein erster Sohn Johann Friedrich Christian Stuhtmann übernimmt jetzt den Hof. Er wird am 28. Januar des Jahres 1796 geboren und stirbt im Jahre 1865. 1819 verheiratet er sich. Aus der Ehe entstanden neun Kinder.
Nach seinem Tode bekommt sein Sohn Peter Heinrich August Friedrich Stuhtmann, geb. am 12. März 1831, den Hof. Im Jahre 1862 heiratete er Maria Cordes aus Ahrendorf.-
1869 (1863/65, ausweislich der Aufschrift über der Haustür; h.b-w) lässt Heinrich Stuhtmann das alte Wohnhaus abreißen und lässt ein neues, das jetzige Haus bauen.
Um diese Zeit waren 4 Pferde, 12 Kühe und 130 Schafe auf dem Hof. In den Jahren 1889-1901 war Heinrich Stuhtmann Bürgermeister in der Gemeinde Raven. Am 6.3.1909 verstirbt er kurz vor der Vollendung des 79. Lebensjahres. Pastor Becker sagte mal über Heinrich Stuhtmann: „So floss sein Leben still dahin, mit Mühe und viel Arbeit“.

Von seinen sieben Kindern bekommt der älteste Sohn Gustav Heinrich Friedrich Stuhtmann, geb. am 8.Mai 1868, den Hof. Seit 1900 ist er Hofbesitzer. 1905 heiratet H. G. F. Stuhtmann die Lehrerstochter Emma Wolter (geb. 12. Januar 1880) aus Raven. Am 01.11.1906 wird das einzige Kind, die Tochter Käthe geboren. Infolge eines Herzklappenfehlers verstirbt sie nach einigen Jahren [16. Juni 1924]. Für das Ehepaar Stuhtmann ein schmerzvoller Verlust, über den sie über Jahrzehnte nicht hinweg kamen.

Nebenbei waren seine großen Passionen die Jagd, die Hunde-, Pferde- und Hühnerzucht. So kommt es, dass das Zimmer der Stuhtmanns heute voll von Ehrenbriefen, Sieger- und Ehrenurkunden hängt. Der alte G. Stuhtmann ist in die Hannoversche Warmblutzüchtung einstiegen und wird wohl durch seine großen Verdienste nie vergessen werden. Trotz seiner 86 Jahre fehlt Herr Stuhtmann auf keiner Celler Hengstparade.

Als nach dem Kriege Stuhtmanns sich zur Ruhe setzen wollten und alle Brüder schon einen Hof hatten, wurde der Hof der Nichte Ursula Stuhtmann aus Eyendorf vermacht.
Da es im Krieg keine Arbeiter gab und der Besitzer schon zu alt war, um den Hof allein zuführen, wurde viel Land verpachtet.
Am 15. Juli 1949 heiratete Ursula Stuhtmann den Landwirtssohn Helmut Karl Hermann Brammer, geb. am 25.4.1919, aus Etzen.- Aus dieser Ehe sind bis jetzt 3 Kinder hervorgegangen.
Unter dem Namen Brammer hat der Hof wieder seine alte führende Stellung in Raven angenommen.

Abb. 14: Vorderansicht des Hauses

Abb. 15: Hofansicht

Abb. 16: Rückansicht des Hauses

Abb. 17: Kuhstall und Misthaufen

Abb. 18: Getreidescheune

Abb. 19: Wagenschauer

Abb. 20: Wirtschaftsgebäude

Abb. 21: Pferdekoppel

Abb. 22: Helmut Brammer

Abb. 23: Grashof


IV. Lebensverhältnisse und Wirtschaftsweise auf dem Hof bis zur Verkoppelung 1845

Bis zur Verkoppelung herrschte auf diesem Hof wie in der ganzen Umgebung große Armut, denn der Hof hatte noch nicht die Größe von heute.- Die Ursache der Verarmung bestand vor allem darin, dass der ohnehin sandige Ackerboden wegen des ewigen Anbaues von Körnerfrüchten völlig ausgepowert (ausgeackert) war. Die Kartoffel war damals noch unbekannt, für das Vieh gab es noch keine richtigen Weiden, und der tragfähige Waldboden war noch nicht urbar gemacht.
Die Brüder des jeweiligen Besitzer des Hofes blieben meistens auf dem Hof. Sie wurden Knecht oder Häusler und verschafften sich durch Schaf- oder Bienenzucht einen Nebenverdienst. Wegen der Wohnungsnot wohnten die Familien meist eng zusammen.
Die Ernte an Roggen oder Hafer war oft auf dem Hof so gering, dass noch etwas hinzugekauft werden musste. In der Zeit, wo das Korn schlecht gediehen war, brachte man das bittere Bohnenbrot auf den Tisch.
Heu erntete man auf den Grashöfen beim Hause, Stroh holte man auf dem Hof aus Wulfsode und Gödenstorf; wenn man noch Heu brauchte, fuhr man nach Wetzen, Putensen, Salzhausen und Luhdorf.

1588 sagte ein Bauer aus Rolfsen (Nachbardorf): „In Raven hat ein jeder nicht mehr Acker und Wiesen bei seinem Hofe, als dass er etwa ein paar Kühe und Ochsen und ein Pferd zu seiner Notdürftigen Unterhaltung halten und sich schwerlich ein Kalb dabei aufziehen und auffüttern kann.“

Zur Bestellung des Ackers nahm man bis zum Jahre 1700 Kühe und Ochsen. 1760 gibt es in der Vogtei Amelinghausen nur 161 Pferde, 3 davon in Raven. Von diesen 3 Pferden waren nach Erzählungen 2 auf dem Stuhtmannschen Hof.
Von dieser Zeit an, wo es Pferde auf dem Hof gab, ging die Bestellung der Äcker schneller, und es wurde dadurch mehr geerntet.
Im Jahre 1700 wurde vor dem Haus eine Eiche gepflanzt, die jetzt unter Naturschutz [und Denkmalschutz] steht. Von dieser Eiche, die einen Umfang von 5,50 m hat, brach im Jahre 1952 ein Ast ab, welcher ein ganzes Fuder (2 Raummeter) Holz ergab.
In den Jahren 1750-1850 wurden weitere 280 Eichen, die jetzt den Hof umgeben, gepflanzt. (Anfang 2014 ließ Hans die meisten davon fällen, denn der Landkreis schreibt vor, dass der Eigentümer von Bäumen für alle Schäden haftet, die an öffentlichen Wegen z.B. durch herabfallende Äste entstehen; h.b-w)

Abb. 24: Westliche Hofeinfahrt

Abb. 25: Nördliche Hofeinfahrt

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V. Die Verkoppelung schafft heutige Wirtschaftsverhältnisse

Durch die Verkoppelung, die am 29. April 1845 stattfand, kam der Hof zu seinen heutigen Stand. Da der Hof aber schon vor der Verkoppelung mit 100 Himtsaat Land der größte im Dorf war, stand ihm auch das meiste Land zu.

Bei der Verkoppelung wurden zuerst die Grenzen der Feldmark festgelegt (Abb. 26).Danach teilte man die einzelnen Grundstücke ein.
Der Stuhtmannsche Hof, der sich um diese Zeit noch Maier-Hof nannte, bekam jetzt mit 58,0090 Kuhweiden 28,0000 Kuhweiden mehr als der zweitgrößte im Dorfe. (Tabelle mit Angabe des Landes siehe Ende). Dadurch, dass das meistens in Kuhweiden eingeteilt wurde,, kann ich die genaue Größe des Hofes 1845 nicht feststellen. Vielleicht gab es damals für eine Kuh oder drei Schafe eine Weide, die sich dann Kuhweide nannte. Wenn das so stimmen sollte, mögen damals 160 Schafe und fünf Kühe auf dem Hof gewesen sein.

Durch großzügigen Tausch und durch Verschenkung von kleineren Stücken Land gelang es Johann Fredrich Christian Stuhtmann sein Land in die Nähe vom Hof zu bekommen. Gleich hinter dem Hof, auf dem Weg nach Eyendorf gehört ihm eine Fläche von 462 Morgen (das entspricht der Größe von sieben Brinkbesitzungen).

Im Rezessbuch der Gemeinde Raven von 1845 steht zu der Einteilung der einzelnen Länder unter den Paragrafen folgendes:

§ 4 Abs. 6
Hat der Höfner Stuhtmann durch seine Koppel No 13 der Charte, nach der Koppel der Pfarre, No 13, und nach den Abfindungen der Brinkbesitzer auf dem Heidberge führenden, eine Ruthe breiten, Weg, welcher Weg ihm in dieser Maaße vergütet worden, jederzeit zu gestatten und für den Verkehr offen zu halten.

Abs. 8
Sind die beiden durch die Koppel der Pfarre No1 und des Vollhöfners Studtmann, No 2 der Charte, führende Wege von diesen beiden Grundstücken, welche dafür eine entsprechende Vergütung erhalten haben, in der Breite von 1ner Ruthe für den Verkehr offen zu halten.

§ 8 Abs. 1
Die zur Heitzung der Schulstube erfoderlichen Feuerungsmittel sind nach der bisherigen Abservanz allein von den vier Höfenern in Raven anzuliefern und kostenfrei für den Schullehrer anzufahren.

§ 11 Abs. 1
30 Morgen Heidebodens mussten zur Anlage einer gemeinschaftlichen Forst abgegeben werden, und zwar in der Baukuhle. Die über verschiedene Koppeln, nach Paragraph 3 dieses Receßes, reservierten Überwege dürfen zu Viehtriften niemals benutzt werden, mit Ausnahme jedoch des daselbst sub. No 6, durch die Stuhtmannsche Koppel, No 13, vorbehaltenen Weges, welchen die Pfarre zu Raven, außer zum Fahren, auch zum Viehtreiben nach deren Koppel No 12 der Charte zu benutzen befugt ist.

§ 24
Die allgemeinen Theilungs und Verkoppelungskosten, werden der Vereinbarung gemäß nach Verhältnis des in Kuhweiden ausgedrückten Bonitaitswerthes der aus der Theilung und Verkoppelung erfolgten Abfindungen aufgebracht. Demnach concurrieren dazu wie folgt.
Für die bei der Verkoppelung entstandenen Kosten mußten Stuhtmanns 12 Simpla (Steuereinheit) bezahlen.

Nach der Verkoppelung wurde vom Stuhtmannschen Hof noch eine Brinksitzerstelle abgenommen. Die Brinksitzerstelle bekam Adolf Wölper, der noch bis ins Jahr 1945 dafür einen Erbzins an Stuhtmanns bezahlen musste.

Die Flurnamen der Felder sind folgende:

  1. Langewiese
2. Sandwege
3. Buchkuhle
4. Im Graben vor dem Wolde
5. Mattensbleck
6. Heerdensaal
7. Auf dem Heidberge
8. Sonderberg
9. Dieksoot
10. Hasenwinkel
11. Altenkamp
12. Hausstätte (Siehe Abb. 26)

Abb. 26: Feldmark Raven

Abb. 27: Wiesenquell

Abb. 28: Backhaus

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VI. Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch Chemie und Technik

ght: normal; letter-spacing: normal; line-height: normal; text-align: start; text-indent: 0px; text-transform: none; white-spaceAls Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts Chemie und Technik auch nach Raven gedrungen waren, kam es auf dem Hof zu einer neuen Wirtschaftsweise.

Der Lehmboden, der bis jetzt so schlecht zu beackern war und dadurch keine guten Ernten gab, wurde jetzt durch den Kunstdünger und durch die Maschinen wertvoll gemacht.
Schon früher hatte man mit Mergel gedüngt, was sich aber Jahre später nicht als gut erwies. Der Mergel, der in Raven ausgegraben wurde, nahm die letzte Kraft aus dem Ackerboden. In den ersten Jahren hatte man Rekordernten, dafür später einen ausgepowerten Boden. So wurde es Zeit, dass der Kunstdünger aufkam.
Durch die Maschinen konnte nun der Wald gerodet werden und der Boden urbar gemacht werden. Den Waldboden, der ja noch nicht mit Mergel gedüngt war, konnte man sehr gut brauchen. So kam es, dass durch die Chemie und die Technik die Armut vom Hof verschwand.
Durch die größeren Ernten war man in der Lage, sich rentablere Maschinen anzuschaffen, die dazu beitrugen, die Ernte schneller unter Dach zu bringen.
Im Jahre 1900 bekam der Hof eine Dreschmaschine (die sich noch heute auf dem Hof befindet, und erst im letzten Jahr von einer modernen Maschine abgelöst wurde). Durch die Dreschmaschine ging nicht mehr so viel Korn verloren und die Einnahmen steigerten sich von Jahr zu Jahr.´-
An Maschinen befinden sich heute auf dem Hof:
1 Trecker, 1 Dreschmaschine, 1 Strohpresse, 1 Zapfwellenbinder (Getreidemäher), 1 Grasmäher, Lanz VR2 (Kartoffelrodemaschine für den Treckerzug), 1 Kartoffelroder für Pferde, 1 Kartoffelsortiermaschine mit Benzinmotor, 1 Drillmaschine (Sämaschine), Vielfachgerät zur Kartoffelbearbeitung, 1 Treckerpflug, 1 Untergrundpflug, 2 Schwingpflüge für Pferde, 2 Zweischarpflüge, 1 Kultivator (Grubber), 1 Schrotmühle, 1 Rübenmühle, 1 Rübenmusmühle, 1 Elektromotor 15 PS und 3 kleinere, 1 Hackmaschine, 2 Ackerstriegel, 4 Gespanneggen, 1 Untergrundpacker, 1 Düngerstreuer, 1 Walze, 1 Kreissäge, 1 Heuwender und 1 elektrische Jauchepumpe.-
Da man bis 1890 kein Trinkwasser auf dem Hof hatte (es wurde aus dem Brunnen in der Mitte des Dorfes geholt), fing man an, nach Wasser zu bohren. Da der Grundwasserspiegel in Raven sehr tief lag, musste man lange bohren. Als man das Wasser erreicht hatte, baute man eine Pumpe vor der Küche, welche bis in den Krieg noch in Betrieb war und von drei starken Männern bedient werden musste. Einige Jahre später wurde auch in der Waschküche eine Pumpe aufgestellt, und man brauchte nicht immer aus dem Haus zu gehen, um Wasser zu holen. Auch in die Küche kam ein Wasserhahn; hier aber wurde das Wasser von einer Quelle im Garten (Abb.) durch eine Pumpe aufgesogen und in einen Druckkessel im Keller gepumpt. Durch den Druck, der im Kessel herrscht, gelangt das Wasser in die Leitung und kann dann in der Küche aus dem Wasserhahn entnommen werden.

Vor ca. 33 Jahren knipste man zum ersten mal eine Lampe mit elektrischem Strom an. Bis dahin kannte man auf dem Hof wie in der ganzen Umgebung nur Petroleumlampen.

Abb. 29: Misthaufen

Abb. 30: Dorfbrunnen

Abb. 31: Quelle im Garten

Abb. 30: Grundriss

Abb. 31: Hofplan

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VII. Wirtschaftliche Verhältnisse der Gegenwart

Als der Bauer Helmut Brammer auf den Hof kam, fing für den Hof eine neue Epoche an.
Zuerst mussten die durch den Krieg sehr zurück gekommenen Felder neu gedüngt und beackert werden. Bauer Stuhtmann hatte viel Land verpachtet, und dieses musste wieder zurückerworben werden.
So gab es für den neuen Hofbesitzer am Anfang sehr viel Arbeit, die nur durch großen Fleiß überwunden werden konnte.
In den ersten Jahren kam es vor, dass Tag und Nacht gearbeitet wurde.- Den Trecker, den man nachts zum pflügen gebrauchte, holte sich Helmut Brammer abends von seinem Bruder aus Etzen, einem 8 km von Raven entfernten Dorf. Am anderen Morgen musste der Trecker wieder zurückgebracht werden. Nach diesen beiden schweren Jahren war man in der Lage, sich einen Trecker anzuschaffen, und war dadurch nicht mehr nur auf die Pferde angewiesen. Mit dem Trecker geht die Arbeit schneller voran, und die Ernten wurden von Jahr zu Jahr ertragreicher.

2 Häuslerfamilien, 3 Knechte und 2 – 4 Tagelöhner halfen H. Brammer bei seiner Arbeit.- Auch der Viehbestand vergrößerte sich auf dem Hof zusehends. Heute befindet sich an Vieh auf dem Hof:
40 Stück Rindvieh, 60 Schweine, 100 Hühner, 7 Pferde, 5 Legeenten, 3 Hochflugenten, 3 Gänse, 3 Puten und 50 Tauben.

Da die alten Maschinen jetzt nicht mehr ausreichten, mussten neue gekauft werden. Immer mehr modernisierte sich der Hof, bis fast keine Maschine auf dem Hof mehr fehlte. Bei der diesjährigen Kartoffelernte, es waren ca. 60 Morgen mit Kartoffeln beackert, halfen ca. 30 Leute. Trotz des schlechten Wetters gab es in diesem Jahr eine gute Kartoffelernte. Auch die anderen Ernten waren auf dem Hof zufrieden stellend. Im Jahre 1954 wurden auf dem Hof 9000 Ztr. Kartoffel, 4000 Ztr. Zuckerrüben, 700 Ztr. Runkelrüben, 300 Ztr. Hafer, 400 Ztr. Gemenge und 30 Fuder Heu geerntet.
Mit der Kartoffelernte können bei 4 Ztr. pro Mensch, 2250 Menschen ein Jahr lang ernährt werden. – In den letzten Jahren ging etwas der Ernte durch die Panzer verloren, die beim Manöver quer durchs Feld fahren. Soviel Verlust wie andere Höfe hat dieser Hof nicht zu beklagen; das ist darauf zurückzuführen, dass der Hof fast alle Felder in der Nähe des Dorfes hat und die Panzer nur außerhalb des Dorfes fahren dürfen.

Opferberg I

Opferberg II

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Litteral des Vollhöfners Friedrich Stuhtmann  (oben die Tabelle als Bild, unten in Tabellenform – die Darstellung kann Schwierigkeiten bereiten)

   

Litteral des Vollhöfner Friedrich Stuhtmann
Benennung der Gegend Ackerland Wiesen Raumerangerboden Raumerheideboden Bestandener Angerboden Bestandener Heideboden Brauchbarer Boden Unbrauchbarer Boden Total
Fläche Kuhw. Fläche Kuhw. Fläche Kuhw. Fläche Kuhw. Fläche Kuhw. Fläche Kuhw. Fläche Kuhw. Fläche Kuhw.
Morgen x Morgen x Morgen x Morgen x Morgen x Morgen x Morgen x Morgen x Morgen x
81 Beim Hause —– —– 3 19 0,8914 7 11 1,6091 —– 6 0,0035 —– —– —– —– 10 36 2,5040 —– —– 10 36
13 Im Graben vorm Wolde 145 29 25,2470 —– 75 0,1114 4 17 0,8769 56 12 2,9269 25 46 2,9269 91 96 9,5711 323 35 44,0625 —– —– 323 35 Durch diese Koppel ist 1° breiter Fahrweg für die Brinkbesitzer nach Heidberge reserviert.
113 Der Schafsboden auf der Ortsbünte —– 111 0,1819 —– —– 2 57 0,4221 —– 111 0,1181 —– —– —– 108 0,1149 5 27 0,8370 —– —– 5 27
21 Auf dem Hasenberge —– —– —– —– —– —– 23 103 0,9165 —– —– —– —– 23 103 0,9165 —– —– 23 103 Hierdurch ist 1° breiter Fahrweg reserviert.
Die Langenwiesen —– —– —– —– —– —– —– —– 5 14 0,65 55 113 6,7530 61 7 7,3993 —– —– 61 7
117 Am Sandwege —– —– —– —– —– —– —– —– —– —– 22 34 2,2897 22 34 2,2897 —– —– 22 34
Summa 146 20 25,4289 3 94 1 19 85 2,9075 80 112 5,4650 30 60 5,9761 170 111 18,7287 446 2 58,0090 —– —– 446 2

x = Quadratruten
Der Vollhöfner Stuhtmann hat von Dittmer und Langeloh deren Koppel auf dem Heidberge No. 15 und 16 eingetauscht und dafür an Dittmer an der Langewiese No. 130 einen Morgen und 100x und an Langeloh von der Koppel No. 113 1 Morgen abgetreten; welches damit hier zur Nachricht mitgeteilt wird.

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